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Braunschweiger Zeitung

 


Speers Vollstrecker – Willi CLAHES
Selbst den Experten der Geschichte des Nationalsozialismus in Braunschweig war bisher der Name Willi Clahes kaum bekannt ... Zwar gab es in der Stadtverwaltung seit 1932 einen Juristen dieses Namens, der es bis zum Stellvertreter des Oberbürgermeisters Dr. Hesse brachte, aber in keiner Hinsicht als fanatischer »Nazi« auffiel, bis er 1939 als Vizepräsident in die von Albert Speer geleitete neu eingerichtete »Durchführungsstelle für die Neugestaltung der Reichshauptstadt« innerhalb der Generalbauinspektion (GBI) berufen wurde und aus dem braunschweiger Blickfeld verschwand. Was es mit dieser neuen Reichsbehörde auf sich hatte und welche Rolle Willi Clahes darin spielte, enthüllt nun eine knappe, aber inhaltsreiche Studie von Jörg-Michael Schiefer, die für Fachleute eine erschreckende kleine Sensation ist: Die neue »Durchführungsstelle« hatte die Aufgabe, die Reichshauptstadt in kürzester Frist »judenfrei« zu machen … Im Übergabeprotokoll meldete Clahes stolz, von seiner Dienstsstelle seien von 1939 bis 1942 23767 jüdische Wohnungen und 75000 Personen »erfasst und umgesiedelt« worden … Der von Albert Speer berufene Präsident seiner Berliner Dienststelle war ein in Braunschweig sehr wohl bekannter Protagonist der NSDAP namens Emil Zörner, seit 1930 Präsident des braunschweigischen Landtages, der bald nach der »Machtübernahme« nach einem schweren Konflikt mit Dietrich Klagges von der Partei aus Braunschweig nach Dresden … abgeschoben wurde. Auch hier legte er sich mit dem dortigen Gauleiter an, so dass er 1938 auf Vorschlag seines Gönners Albert Speer als Präsident seiner »Durchführungsstelle« nach Berlin versetzt wurde. Unverzüglich holte er seinen alten braunschweiger Kumpel Willi Clahes an seine Seite ... In Braunschweig hat offenbar niemand … von der Durchführungsstelle der Judenvernichtung gewusst … Das ist das Erschreckendste an dem Buch von Schiefer: Keiner der leitenden Holocaust-Vorbereiter in der »Durchführungsstelle« ist jemals in Entnazifizierungsverfahren oder gar gerichtlich zur Rechenschaft gezogen worden, weil es dem Hauptverantwortlichen, Albert Speer, gelang, sogar dem Nürnberger Gerichtshof die Existenz dieser Stelle und damit seine ungeheure Rolle beim Holocaust zu verschweigen. ...

 


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