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Hildesheimer Allgemeine Zeitung (HAZ)


Ernst Gottfried Mahrenholz über den Untergang eines Königreichs und das Schicksalsjahr 1866
Der große Historiker Theodor Mommsen konstatierte in einem berühmten Bonmot, dass anno 1866 "die Weltgeschichte um die Ecke bog". In Hannover angekommen, machte die Weltgeschichte damals freilich einem ganzen Königreich den Garaus. Preußen verleibte sich auf seinem weltgeschichtlichen Weg zur Reichsgründung den Staat kurzerhand ein. König Georg V. musste ins Exil. Ernst Gottfried Mahrenholz, früher NDR-Funkhausdirektor in Hannover, Kultusminister und Bundesverfassungsrichter, hat jetzt in einem schmalen Buch die Vorgänge im "Schicksalsjahr 1866" kenntnisreich analysiert. Dabei zeichnet er ein faires Bild des oft als rückständig verschrienen Königreichs der Welfen: Dieses habe als erster deutscher Staat Geschworenengerichte geschaffen. Ludwig Windthorst sei wohl der erste katholische Minister in einem evangelischen Bundesstaat überhaupt gewesen - es gab also sehr wohl Zeichen von Toleranz und Fortschritt. Differenziert fällt auch Mahrenholz' Blick auf die Akteure von 1866 aus. König Georg V. rang im Konflikt zwischen Preußen und Österreich vergeblich um Neutralität. Er ging ins Bewusstsein vieler Hannoveraner ein als jener König, der aus lauter Bundestreue zu Österreich lieber "mit Ehren untergehen" wollte, als der Macht zum Sieg Über das Recht zu verhelfen: "Als Christ, Monarch und Welf kann ich nicht anders handeln", sagte er wohl wissend, dass die Preußen sein Land besetzen würden, wenn er an der Seite Österreichs blieb. Mahrenholz sieht hierin des nicht nur ein heroisches Selbstopfer - er fragt auch kritisch, ob der König nicht. verantwortungslos gegen sein Volk handelte, als er es auf diese Weise dem Feind preisgab. Womöglich hätte Georg V. den Welfenthron nach dem militärischen Sieg der Preußen noch retten können, wenn er zugunsten des Kronprinzen abgedankt hätte: "Rette, und nimm die Bedingungen an, wie sie sind! ", beschwor ihn seine Frau Marie am 1. August 1860 in einem Brief. Doch Georg lehnte ab - Gottesgnadentum ist unverfügbar, man kann" darauf nicht einfach so verzichten. Sein Gegenspieler Bismarck spann später die Legende, Preußenkönig Wilhelm habe auf eine Annexion Hannovers gedrungen. Dabei war er selbst es, der jenen Staat von der Landkarte tilgte, "dessen Gemein Schädlichkeit für Deutschland sich bewährt" habe, wie er einmal bemerkte. Mahrenholz verortet einen guten Teil der Schuld daran bei Österreich, die Preußen kommen bei ihm relativ gut davon. Sein Buch erhellt viele Details des Jahres 1866. Allerdings ist Mahrenholz kein flott erzählender Historiker, sondern ein Jurist, dem sprachliche Präzision wichtiger ist als stilistische Eleganz und komplizierte Formulierungen machen das Durchdringen komplizierter Sachverhalte nicht immer leichter.

 


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