Presse
Braunschweiger Zeitung
Zweimal eilte vor Monaten Heinrich Prinz von Hannover, Geschäftsführer des Göttinger Verlages MatrixMedia, zu Ernst-August Roloff in die Jasperallee. Das Thema: ein neues Buch zur NS-Geschichte in dieser Region. Der Prinz wollte nichts Schwerblütiges, sondern etwas Griffiges. Sein Vorbild: das Buch "Im Schatten der Mozartkugel", ein Reiseführer durch die braune Topographie Salzburgs … Was Prinz Heinrich von Hannover wollte, begeisterte Roloff auf Anhieb. Er holte Reinhard Bein mit ins Boot, den akribischen Rechercheur der NS-Zeit in Braunschweig. Auch die Autorinnen Susanne Weihmann (Helmstedt) und Elke Zacharias (Salzgitter) machten mit. Roloff über den historischen Reiseführer: "So etwas gibt es bisher in dieser Form in Deutschland noch nicht." Warum erlebte gerade das Land Braunschweig eine "Herrschaft des politischen Banditentums?" (Roloff). Der Freistaat Braunschweig war für die Nazis in ganz. Deutschland interessant, weil hier schon 1930 die Nationalsozialisten in eine Regierungskoalition eintraten. Roloff: "Diesen Vorsprung nutzte die NSDAP im Braunschweiger Land, um die Nazifizierung tiefgreifender und gründlicher voranzutreiben als in anderen Ländern des Reiches." Ein Freistaat wurde zur braunen Musterstube. Neben den großen Industriestädten- und werken Wolfsburg und Salzgitter entstanden zahlreiche weitere Bauten oder wurde Vorhandenes umgestaltet.
Marsch durch die Stadt mit 100.000 SA-Männern
Das meiste von dem, was in der NS-Zeit gebaut wurde, steht ja noch und muss auch erklärt werden … Hier wurde im besonderen Umfang Wohnraum für die Ansiedlung von Rüstungsbeschäftigten und Militärangehörigen geschaffen. Man sehe das heutige Malerviertel, in dessen Bauten die Offiziere des einstigen Luftflottenkommandos einzogen. Und wie war das noch am 18. Oktober 1931 in Braunschweig? Auch das steht im Buch. Damals marschierten fast sieben Stunden lang 100.000 SA-Männer durch die Stadt. An den Straßenrändern mehr als 100.000 jubelnde Zuschauer, fast so viele, wie die Stadt Einwohner zählte. Roloff: "Das Echo in der bürgerlichen Presse in ganz Deutschland war der Absicht entsprechend. Gegen diese Bewegung und ihren charismatischen Führer kommt keine Partei mehr an." Der historische Reiseführer enthält viele Bilder, die bei Erkundungen der Region das Wiederfinden leichter machen. Und immer gibt es dazu den einordnenden Hintergrund. Die Braunschweiger Repräsentionsbauten der Nazis sind schon oft beschrieben worden, etwa die "Bernhard-Rust-Hochschule" von 1937, heute Haus der Wissenschaft, oder die "Akademie für Deutsche ]ugendführung", heute Braunschweig-Kolleg.
Unbekannter sind die Nazibauten außerhalb Braunschweigs, zum Beispiel die "Neubauernsiedlung Neuhaus". Bauern waren nach der nationalsozialistischen Ideologie "Lebensquell der nordischen Rasse". Die Reichsregierung verpflichtete 1933 das Land Braunschweig, 1200 Neubauern anzusiedeln.
Fazit: ein anschaulich geschriebener, informativer historischer Reiseführer für jedermann.
"Der Löwe unterm Hakenkreuz", 329 Seiten, mit vielen Abbildungen und zwei Karten.
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