Kunst | Kultur | Geschichte

Presse

Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ)


Reisehandbuch beleuchtet die NS-Geschichte Braunschweigs
Es muss eine ebenso monumentale wie gespenstische Inszenierung gewesen sein: Nicht weniger als 100.000 SA-Männer marschierten am 18. Oktober 1931 bei einer Massenveranstaltung der Nazis über das "Franz'sche Feld" in Braunschweig. In anderen Ländern, etwa im SPD-regierten Preußen, waren solche Aufmärsche von Uniformierten noch verboten. Doch im Land Braunschweig waren die Nazis bereits drei Jahre, ehe Hitler Reichskanzler wurde, an die Macht gekommen - hier konnten sie sich manches erlauben, was ihnen andernorts noch verwehrt war. Stätten wie das "Franz'sche Feld" stellt das jetzt erschienene Handbuch "Der Löwe unterm Hakenkreuz", herausgegeben vom Historiker Reinhard Bein und dem Politikwissenschaftler Ernst-August Roloff, vor. Der gut lesbare, reich illustrierte und akribisch recherchierte Reiseführer arbeitet Braunschweigs braune Vergangenheit auf. Mit Industrieanlagen und Kasernenbauten, Bunkern und Mustersiedlungen, Thingstätte und Flugplatz gaben die Nazis der Stadt, in der Hitler 1932 eingebürgert worden war, und ihrer Umgebung ein neues Gesicht. Der Reiseführer eröffnet neue Blicke auf bekannte Orte. So wurde 1935 im Residenzschloss, das vor kurzem als Einkaufszentrum wieder aufgebaut wurde, eine SS-Junkerschule eingerichtet - die zweite in ganz Deutschland. In der "Akademie für Jugendführung", wo die Elite der Hitlerjugend geschult wurde, ist heute ein Abendgymnasium untergebracht. Den Dom versuchten die Nazis zur "Weihestätte der Nation" umzugestalten. Der dort begrabene Herzog Heinrich der Löwe galt als Vorkämpfer für Eroberungen im Osten. Bei der Öffnung seines Grabes stellte sich 1935 freilich heraus, dass der angeblich so germanische Held wohl dunkelhaarig und eher klein war und unter einer Hüftfehlstellung gelitten hatte - das alles verschwieg man dezent. Mehr als 50 Orte und ihre NS-Vergangenheit stellt der Reiseführer vor. Er verortet dabei ein Stück Vergangenheit in der Gegenwart. Und dass am Ende Beschreibungen von Bunkern, Friedhöfen und Gedenkstätten stehen, hat angesichts des Themas eine gewisse Konsequenz.

 


[ zurück ]