Presse
Hildesheimer Zeitung (HIAZ)
Märchen für die Königin
Schloss Marienburg bei Nordstemmen ist noch gar nicht so alt wie viele Besucher vermuten. Der Mitte des 19. Jahrhunderts erbaute Prunkbau sollte tatsächlich - ähnlich wie Neuschwanstein - an mittelalterliche Baukunst erinnern. Passend dazu erdachte sich der Hildesheimer Künstler und Kunstförderer Georg Bergmann sogar eine fiktive mittelalterliche Gründungslegende in Form zweier Märchen. Diese Märchen sind nun rund 150 Jahre später wieder aufgetaucht. "Viele Besucher glauben, dass das Schloss Marienburg viel älter ist", weiß Schlossherr Ernst August Prinz von Hannover. Tatsächlich wünschte sich Königin Marie für den Bau ihres Schlosses "eine mittelalterliche, gothische Burg" auf dem damaligen Schulenburger Berg. Ihr Mann, König Georg V., hatte ihr den Schulenburger Berg zum 39. Geburtstag geschenkt und ihr anschließend das Schloss als Rückzugsort bauen lassen.
Dass man heute auch von einem Märchenschloss spricht, das inzwischen zum touristischen Anziehungspunkt geworden ist, liegt natürlich am neugotischen Baustil mit den zahllosen Türmchen und Zinnen. Ein solcher Historismus war typisch für die damalige Zeit, in der ein "verklärtes Idealbild des Mittelalters" herrschte, wie Autorin Isabel Arends in ihrem gerade erschienenen Buch über die "Märchen für die Königin" schreibt. Und so bedurfte es natürlich auch einer passenden Gründungslegende: Die lieferte der Hildesheimer Künstler Georg Bergmann. Er sollte ursprünglich einen Wandfresko für das Billardzimmer des Schlosses liefern, auf dem die Gründungsgeschichte in Bildern erzählt wird. Doch dazu kam es aufgrund der Kriegswirren nicht. Dafür hat er zwei Märchen geschrieben, die diesen Gründungsmythos enthalten, und diese Königin Marie geschickt. In diesen Märchen wimmelt es nur so von bekannten Figuren, Orten und Begebenheiten aus der Region. So spielt die Poppenburg bei Burgstemmen ebenso eine Rolle wie Bischof Bernward.
All dies lässt sich detailliert auf 185 Seiten in dem nun erschienen Buch nachlesen. Abgedruckt sind nämlich nicht nur die beiden Märchen, sondern vor allem deren Deutung sowie zahlreiche Informationen zum historischen Hintergrund.
Erschienen ist das Buch im Verlag von Heinrich Prinz von Hannover … Herausgegeben wurde das Werk von seinem Neffen, Ernst August Prinz von Hannover, heutiger Schlossherr der Marienburg. Und so wurde das Buch nun auch vor geladenen Gästen und im festlichen Rahmen im Rittersaal des Schlosses vorgestellt. Heinrich lobte dabei die Kunsthistorikerin Arends, die vor sieben Jahren bereits ihre Dissertation über das Schloss geschrieben hat: "Es gibt keinen, der sich so gut auskennt mit der Neugotik in Norddeutschland." Auf die Märchen stieß die Autorin übrigens durch Zufall, als sie alte Finanzakten des Schlosses durchstöberte … Bergmann rechnet in seinem "Märchen vom Marieberge" auch mit seinen Zeitgenossen ab. Bergmann war nicht nur Künstler, sondern auch ein Förderer de Kunst, wie Isabel Arends bei den Recherchen für ihr Buch herausgefunden hat. Der Sohn des Leiters der Hildesheimer Heil- und Pflegeanstalt, Dr. Heinrich Bergmann, kümmerte sich unter. anderem um die Restaurierung des Knochenhauer-Amtshauses. Zusammen mit den Architekten Conrad Wilhelm Hase und dem Hildesheimer Senator Herman Roemer setzte er sich außerdem für den Erhalt der Michaeliskirche ein. Die heutige Weltkulturerbe-Kirche wollten die Hildesheimer damals nämlich eigentlich I abreißen. "Ein Großteil der Bürgerschaft hatte kein Bewusstsein für die Kunstschätze der bernwardinischen Epoche", schreibt Arends. Und so gibt Bergmann den Einwohnern Hildesheims in seinem Märchen die Rolle der Zwerge. "Georg Bergmann rechnet hier mit den engstirnigen, uneinsichtigen Hildesheimer Bürgern ab", schreibt Arends. Und so formulierte Bergmann auch eine Warnung an seine Kollegen aus dem Kunstbetrieb: "Die Zwerge sind mitten unter uns."
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