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Pirmasenser Zeitung

 


Mord oder nicht? - Kurzweil auf literarischem Niveau
Hochspannung garantiert! Wenn eine Autorin wie Anna Eunike Röhrig in der Heimatstadt Pirmasens ihre neueste Publikation über mysteriöse Todesfälle einer vergangenen Epoche präsentiert, stiehlt sie jedem Freitagskrimi die Schau. Der Besucherandrang war derart überwältigend, dass Ulrike Weil den letzten Reservestuhl der Stadtbücherei für die interessierte Leserschar der so eloquent in der Historie Bewanderten bereitstellen musste. "Mord oder nicht?" lautet der Titel ihres solide recherchierten Schockers mit Tiefgang. Verbergen sich doch hinter dem akribisch gesammelten Beweismaterial pro oder kontra Kapitalverbrechen in Zeiten der sogenannten Aufklärung menschliche Abgründe. Obwohl gerade dieses Zeitalter die besondere Wahrung der Menschenrechte für sich in Anspruch nahm, entledigte man sich der Rivalen um Gunst oder Macht auf brutale und infame Weise. Was Anna Eunike Röhrig ihrem heimischen Publikum mit eindrucksvollen Fakten vor Augen führte. Trotzdem stellt sie es dem Leser frei, aus den Affären um hochrangige Persönlichkeiten, darunter auch recht dubiosen Gestalten, eigene Schlüsse zu ziehen. Kam etwa König Karl XII. von Schweden durch Feindeshand ums Leben oder weist die Tatsache (durch authentisches Bildmaterial belegt), dass ihm ein Uniformknopf in die Schläfe geschossen wurde, auf einen Meuchelmord aus den eigenen Reihen hin? Vielleicht, weil es die Soldaten an der Zeit fanden, ihren kriegslüsternen Monarchen, der bis dahin jede Schlacht unbeschadet überlebte, auszuschalten. So mutmaßt die ständig auf Spurensuche befindliche Ermittlerin. Dank ausgiebiger Quellenstudien fördert sie in " Mord oder nicht?" Unglaubliches zu Tage. Wie den ungeklärten Fenstersturz einer Trickdiebin und eigentlichen Drahtzieherin der berühmten Halsbandaffäre um Marie Antoinette, der den Historikern bis heute Rätsel aufgibt. Ein spannungsgeladenes Kapitel aufgearbeiteter (Kriminal)geschichte betrifft sogar Pirmasens. … Hätte eine Tochter des Pirmasenser Stadtgründers an der Seite des rechtmäßigen Zaren die Geschicke im damaligen Europa anders leiten können, wenn sie nicht, wie die Spurensucherin vermutet, von Katharina der Großen auf perfide Art (mund)tot gemacht worden wäre? Das gesamte Szenario von Kabale und Liebe, in dem die Machtgier eine zentrale Rolle spielte, sollten sich gerade an der historischen Wahrheit Interessierte aus unserer Gegend nicht entgehen lassen. Als Highlight ihrer mit viel Beifall und regem Bücherkauf honorierten Lesung - wohlklingende Stimme und geschliffene Sprache trugen erheblich dazu bei - wählte Anna Eunike Röhrig die Ausgrenzung einer "Unbequemen" im 18. Jahrhundert, die bemerkenswerte Parallelen zur Gegenwart aufweist. Man erinnert sich: vom Volk als "Prinzessin der Herzen" verehrt, von der Presse bejubelt. Keine Geringere als Diana, Princess of Wales, erste Angetraute des ewig verhinderten Thronfolgers Charles ist natürlich gemeint. Aber stellt ihr Leben und Sterben nicht ein fatales Déja vu der Geschichte dar, das sich nahezu identisch vor rund 200 Jahren schon einmal ereignet hat? Die verblüffende Duplizität der Ereignisse lässt es vermuten. Auch für Königin Karoline (1768-1821) nahm das Verhängnis seinen Lauf, als sie ihr Vetter, künftiger König von Großbritannien gezwungener Maßen ehelichte, um seine horrenden Schulden loszuwerden. Mit einer gehörigen Portion Wortwitz und geradezu britischem Humor (Oscar Wilde lässt grüßen !) berichtet die Geschichte(n)schreiberin, wie dieser Georg IV. die Trauung mit der ungeliebten Frau nur volltrunken überstand, sie anschließend mit zahlreichen Mätressen brüskierte und mit Hilfe der Presse, die damals in England schon mächtig war, zu vernichten drohte. Die aber Karoline bzw. Diana ebenfalls gezielt nutzten, bis eine ominöse Krankheit und ein geheimnisumwitterter Autounfall ihrem Leben ein Ende setzten. Bei aller Tragik auch ein Anlass zum Schmunzeln, wenn man bedenkt, dass beide betrogenen Frauen aus ihrem goldenen Käfig ausbrechen und mit einem wesentlich attraktiveren Liebhaber aufwarten konnten. Fazit: Kurzweil auf literarischem Niveau ohne überzogenen Bildungsanspruch hat im Genre Sachbuch Seltenheitswert. "Mord oder nicht?" von Anna Eunike Röhrig ist ein fesselnder Schmöker mit Lerneffekt.

 


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