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Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ)

 


Mord oder nicht?
Zur eigenen Trauung erschien er stockbetrunken. Und solange ihre arrangierte Ehe währte, ließ der hannoverschbritische König Georg IV. keinen Zweifel daran, wie sehr er seine Frau Karoline hasste. Streit, Trennung, Demütigungen: Gegen ihre Beziehung nimmt sich die Ehe von Prinz Charles und Lady Di aus wie ein immerwährender Honeymoon. Als man Georg 1821 die Nachricht von Napoleons Ende überbrachte ("Sir, euer bitterster Feind ist tot! "), reagierte er erfreut: "Ist sie's tatsächlich?" Karoline starb dann nur 19 Tage nach der Krönung, bei der Georg sie daran gehindert hatte, die Kirche zu betreten. Es gibt Indizien dafür, dass sie vergiftet wurde. Anna Eunike Röhrig legt sich da nicht fest. Gleichwohl arbeitet die Historikerin, selbst Dombibliothekarin in Hildesheim, diesen möglichen Kriminalfall mit großer Akribie auf. Acht ungewöhnliche Todesfälle aus der Zeit der Aufklärung hat sie in dem Band "Mord oder nicht?" unter die Lupe genommen: Katharina die Große versagte einer missliebigen Schwiegertochter die ärztliche Hilfe und ließ sie qualvoll im Kindbett sterben. Friedrich der Große ließ den schlesischen Priester Andreas Faulhaber hinrichten: Dieser hätte das Beichtgeheimnis brechen müssen, um sich selbst vom Vorwurf zu entlasten, er habe Soldaten zur Desertion ermutigt. Und Karl XII. von Schweden starb 1718 womöglich nicht durch eine feindliche Kugel, sondern durch eine der eigenen Leute, die die Kriege des Militärnarren leid waren. Kenntnisreich und sehr unterhaltsam schildert Röhrig ihre Fälle. Vieles bleibt spekulativ, selten fällt sie ein Urteil. Dafür bleibt am Ende die Erkenntnis, dass Aufklärung sich bisweilen im besonders geschickten Verschleiern altbekannter Ruchlosigkeiten erschöpft.

 


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