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Der Tagesspiegel
Friedrich der Große - Vom anständigen Umgang mit Tieren
Der König duckte sich tief ins Gebüsch. Dicht an ihn geschmiegt lag sein "allerliebstes Geschöpf" - die Windspiel-Hündin Biche. Friedrich der Große hatte sich mit ihr im Oktober 1745 während des Zweiten Schlesischen Krieges bei einem Inspektionsgang in der Nähe von Breslau zu weit aufs gegnerische Terrain vorgewagt. Beinahe wäre er in die Hände der österreichischen Soldaten gefallen. Doch in letzter Sekunde verbarg sich der preußische Herrscher mit Biche erfolgreich im Graben unter einer Brücke, berichten Chronisten. Dass der König seine tierischen Gefährten in den Krieg mitnahm, wurde von Friedrichs Offizieren zwar belächelt, aber sie hatten sich daran gewöhnt.
Friedrich II. galt als großer Tierfreund - zu seiner Zeit eine höchst ungewöhnliche Vorliebe.
Noch im frühen 18. Jahrhundert wurden Katzen zur Volksbelustigung auf Scheiterhaufen verbrannt. Das Wild trieben die Menschen bei Hetzjagden in den Tod, Braunbären brachten sie auf heißen Eisenplatten zum Tanzen, Reiter machten rigoros von Gerte und Sporen Gebrauch. Das entsprach auch den Ansichten des französischen Philosophen René Descartes, Tiere seien geist- und empfindungslose Wesen. Doch nun erklärte plötzlich der preußische Kronprinz und spätere Monarch, auch Tiere hätten ein Herz und eine Seele.
Friedrich II. liebte abgöttisch seine Hunde, sein Leibreitpferd Condé oder das Äffchen Mimi, die "Gefährtin meiner Zurückgezogenheit in Rheinsberg", wie er schrieb. Seine vernichtenden Äußerungen über die Jagd, die er als grausam und geistlos verabscheute, werden bis heute gerne von Tierschützern zitiert. Und auch die Anfänge der Veterinärmedizin förderte er tatkräftig: Er begründete die erste tiermedizinische Hochschule Preußens.
Woher kam Friedrichs Zuneigung zu den "unschuldigen Geschöpfen der Natur"? Schon als Kind faszinierten ihn Affen, Papageien und andere Tiere, die in den Schlossgärten als exotische Attraktion gehalten wurden. Bereits als Dreijähriger besaß er eine Art Zwergspaniel mit seidigem Fell. Und seine Mutter Sophie-Dorothea wie auch Großmutter Sophie-Charlotte lebten dem Jungen vor, wie süß doch Vierbeiner sind. Beide waren vernarrt in eine bestimmte Rasse, die 1680 von China nach Europa gekommen war: den Mops.
Klein-Friedrich galt als ungewöhnlich feinsinniges Kind. Schon in jungen Jahren begann er, die Lust seines Vater an der Jagd zu hassen. Die Auseinandersetzungen zwischen Friedrich Wilhelm I. und seinem Sohn, der in den Augen des Vaters unmännlich war und von diesem rabiat drangsaliert wurde, eskalierten auch wegen des kontroversen Verhältnisses der beiden zu Tieren. Friedrichs späteres Plädoyer für einen anständigen Umgang mit der Kreatur war zugleich ein bewusster Affront gegen den Soldatenkönig. Und wie ein Tier fühlte auch er sich ihm ausgeliefert. Bestärkt wurde er von den Aufklärern seiner Zeit, Voltaire oder Rousseau. Die Galerie der Friedrich'schen Hundelieblinge ist lang. Biche, also Reh, rief er seine erste Favoritin, Alcmène eine andere und Superbe die letzte. Sie lag in seiner Todesstunde am 17. August 1786 eng bei ihm. Seine letzte Bitte soll gewesen sein: "Wärmen Sie Superbe mit Kissen."
All seine Hunde waren italienische Windspiele, kaum 40 Zentimeter hoch. Tändelnd folgten sie ihrem Herrn und "unterhielten ihn mit ihren Possen", wie es in höfischen Berichten heißt. Sie passten zu Friedrichs verspieltem Rokokoschloss Sanssouci und seinem kunstsinnigen Wesen. Die andere Seite seines Charakters: Strenge, Pflichtbesessenheit und wachsende Menschenskepsis.
Zitterten seine vierbeinigen Gefährten trotz ihres rehbraunen oder cremefarbenen Fells vor Kälte, nahm sie der König unter seine Weste. Die jeweilige Lieblingshündin ruhte tagsüber im Arbeitszimmer auf einem mit blauem Atlas bezogenen Stuhl und schlief nachts in seinem Bett. Überall in den königlichen Gemächern lagen Lederbälle als Spielzeug für die Hunde herum. Wurde es ihnen trotzdem langweilig, durften sie auch mal Daunenpolster zerfetzen. Friedrich traute ihnen mehr Menschenkenntnis zu als seinen Beratern. Weil Alcmène bei einem Vorstellungsgespräch freudig an dem italienischen Gelehrten Girolama Marchese Lucchesin hochsprang, bekam der umgehend den Posten als Kammerherr. Wurde ein Tier krank, achtete der König auf beste ärztliche Betreuung. Starb ein Windspiel, befiel ihn tiefe Trauer. Bei Alcmènes Tod 1785 weilte Friedrich in der Ferne. Er befahl, die Hündin im eigens gezimmerten Sarg in der Bibliothek aufzubahren. Kaum zurück, soll er sich tränenreich von ihr verabschiedet haben.
Ein ähnlich inniges Verhältnis hatte Friedrich II. auch zu seinem Schimmel Condé. Ob das 1851 enthüllte Reiterdenkmal Unter den Linden ihn allerdings auf seinem Lieblingspferd zeigt, bleibt ein Rätsel. Der Bildhauer Christian Daniel Rauch hat sich dazu nie geäußert. Condé begleitete Friedrich in dessen letztem Lebensjahrzehnt. Das Pferd lief in Sanssouci teils frei herum, durfte aus Obstschalen oder den Taschen seines Herrn stets Früchte naschen. Der König nahm es nicht krumm, wenn die Hufe so manche Fliese zerstörten. Als ein Diener fragte, warum der Monarch fast nie von den Sporen Gebrauch mache, fragte der zurück: "Würde Er sich einen spitzen Dorn in den Bauch stechen?"
Condé wurde niemals zur Jagd geritten. Der König wies solche Einladungen zurück. Er verwandelte stattdessen die Jagdreviere seiner Ahnen wie Berlins Tiergarten in öffentliche Parks. Dort sollte der Natur mit Respekt begegnet werden.
Als letzte Ruhestätte für sich und seine Hunde ließ Friedrich unter der obersten Weinbergterrasse in Sanssouci eine Gruft anlegen. Dort solle man ihn "ohne Pomp" neben den Särgen seiner Lieblinge bestatten. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. ließ ihn aber 1786 in der Potsdamer Garnisonskirche beisetzen.
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