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Potsdamer Neueste Nachrichten (PNN) Brandenburg

 


Die märkische Amazone - Kurfürstin Dorothea von Brandenburg

Heinrich Jobst Graf von Wintzingerode stellte in Caputh seine Biographie über die Kurfürstin Dorothea vor


Schwielowsee - Blind müsste man sein, wenn man im Zuge der aktuellen Hohenzollern-Renaissance nicht die verdächtig systematische Auf- und Umwertung der Herrscherinnen an der Seite ihrer Gatten wahrnehmen wollte. Das betrifft Königin Luise genauso wie Kaiserin Auguste Victoria und viele andere hohe Damen von Adel. Heinrich Jobst Graf von Wintzingerode macht da mit seiner soeben erschienenen Biographie über die Kurfürstin Dorothea keine Ausnahme. Höchstens war hier ein wenig mehr zu tun, denn während ihre Zeitgenossen sie wenigstens in der Tendenz noch günstig beschrieben haben, flocht ihr die Nachwelt schlechte Kränze.

Arglist, Giftmischerei, Geiz und Habgier wurden ihr nachgesagt, auch von Fontane, der seine Weisheit vorwiegend vom "Glücksritter" und Hof-Intimus Pöllnitz bezog. Der blaublütige Historiker, seit zwei Jahren auch als "Redenschreiber im Landesdienst" tätig, hält solch üblen Leumund (die "böse Schwiegermutter" inklusive) schlicht für eine "Fehlinterpretation", für "reine Verleumdung". Mit seinem Opus "Die märkische Amazone" - kürzlich in Anwesenheit hohenzollernschen und welfischen Adels in Dorotheas Lieblingsschloss Caputh vorgestellt - probt er nicht nur eine Ehrenrettung dieser "lange verkannten, hoch bedeutenden Frau der brandenburgischen Geschichte". Er glaubt, sie könne "eine ähnlich identitätsstiftende Position in der Erinnerungskultur einnehmen wie Luise Henriette, Sophie Charlotte oder die Königin Luise". Alles falsch, was die Historiker vor ihm über die zweite Gattin des Großen Kurfürsten und superreiche Besitzerin der Schlösser von Potsdam und Caputh herausfanden? Ihr zweifelhafter Ruf eine spätere Erfindung? Wer Ehrenrettung anstrebt, wird Ehrenrettung auch erreichen. Im vorliegenden Falle sogar fast ohne Wenn und Aber, denn Kritik ist des Autors Stärke nicht.

Nachdem man zur Kenntnis genommen hat, dass die Märkische Amazone (im Gegensatz zu Friedrichs Erster, Luise Henriette) trotz ihrer Konversion zu den Reformierten im Herzen immer lutherisch geblieben sei, dem Gatten durch Schnee, Wind und allerlei Schlachten nah zur Seite stand, ihn auch in allen politischen Belangen treu beriet, zudem die prosperierende Dorotheenstadt zu Berlin gegründet, allen Kindern Friedrichs aus erster und zweiter Ehe eine gute und gerechte Mutter war und zudem ihr enormes Vermögen nicht durch Habsucht und Geiz, wie Zeitgenossen schildern, sondern nur durch betriebswirtschaftliches sowie finanzpolitisches Geschick zustande kam - nach all dem fragte man sich in Caputh schon, was für Versager die Historiker vor dem Grafen von Wintzingerode doch gewesen sein müssen.

So viele vorbildliche Eigenschaften in einer so tatkräftigen wie robusten Frau vereint, wer soll diese Tugend-Fibel glauben? Letztlich scheint es gar nicht um Dorothea zu gehen, sondern um die Befriedigung des nach Aufklärung und starken Frauen hungernden Zeitgeistes. Um Ideologie. Ein paar sprachliche Änderungen genügen, um eine günstigere Rede von ihr zu entwerfen: Man kann ihren übermächtigen Einfluss auf den an Depressionen und Stimmungsschwankungen leidenden Gatten "gleichberechtigte Partnerschaft" oder aber "Pantoffel-Wirtschaft" nennen, ihre gut überlieferte Lust an Geld, Schmuck und Gütern "frühkapitalistische Gier" oder Bemühen um die Versorgung ihrer Kinder zweiter Ehe, die Schwedter Linie. Man kann mittels Sprache aus jedem schlechten Menschen einen guten machen - was die Kurfürstin hier nicht meint. Wo derart gut und dick aufgetragen wird, muss die Glaubwürdigkeit ganz notgedrungen leiden.

 


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